ELMAR, DER ELK

"Mama ?" , fragte Elmar, der kleine Elk, wie immer sehr ungeduldig, wenn er etwas sofort wissen wollte. "Ja, Elmar ?", antwortete seine Mutter stets geduldig, "was ist nun wieder ?" "Mama, wo komme ich eigentlich her ?"... Bums, darauf hatte seine Mutter schon gewartet. Diese Frage ist schon so lange geschoben worden. Nun, sie würde versuchen, es ihm so weit wie möglich zu beant-worten. Horsti, ihr Mann, und sie selbst hatten schon sehr oft zu Hause im Sand gelegen und die Behandlung dieses Themas diskutiert. Was sollte man einem achtjährigen kleinen Elk schon alles zumuten, was konnte er schon alles verstehen? Sie waren kein einziges Mal zu einem wirklichen Ergebnis gekommen, hatten aber beschlossen, dass Horsti die Frage des kleinen Elk beantworten sollte. Sie hasste es, dass er nun schon wieder nicht da war. Wie immer, fand sie, wenn er etwas Unangenehmes zu erledigen hatte. Diesmal konnte er ja nun nichts dafür, dachte sie sich und widmete sich wieder ihrem Sohn und seiner Frage. Nun, sollte sie ihm jetzt alles auf einmal erklären ? Sollte sie ihm die Geschichte vom fliegenden Schaf, das die kleinen Elke brachte erzählen, so wie sie diese vor einigen Jahren selbst von ihrer Mutter gehört hatte ....
"Nein!", entschied sie dann spontan, "ich erzähle ihm soviel der Wahrheit, wie er jetzt wissen muss und den Rest erfährt er später." So erklärte sie ihm ziemlich lange und geduldig, dass sie vor acht Jahren von seinem Vater schwanger geworden war und ihn dann neun Monate lang in sich hat aufwachsen sehen. Mit jedem Tag wurde ihr Bauch dicker und die Last schwerer. Als es dann schließlich soweit war, gebar sie einen kleinen, hilflosen Elk, der schon bald anfing zu laufen und neugierige Fragen zu stellen, wie jetzt eben auch gerade. Sie beantwortete seine Fragen so gut es eben ging und versuchte, das Thema nun endlich zum Schluss zu bringen. Elmar hörte sich alles an und ging dann noch mal raus zum Spielen, wie er sagte. Dort verkroch er sich an seinem Lieblings-platz in der Nähe eines Wasserfalls. Ein umge-stürzter Baum bildete hier eine kleine Höhle, die man nur erkennen konnte, wenn man genau hinsah. Er hatte es sich dort ganz gemütlich eingerichtet und viele seiner angesammelten Schätze versteckt. Hier traf er sich auch oft mit seinem besten Freund Tom, mit dem er schon allerhand erlebt hatte. Heute hatte Tom keine Zeit, er musste seinem Vater helfen. Elmar überlegte lange und dachte über das Gespräch mit seiner Mutter nach. In der Schule hatten sie schon oft darüber geredet, Tom und er und seine Freunde. Jeder wusste etwas anderes. Er war eigentlich der einzige, der noch gar nichts darüber in Erfahrung gebracht hatte. Toms Eltern hatten ihm erklärt, dass man Liebe dazu braucht, was auch immer das nun schon wieder war. Am besten hatte ihm allerdings die Geschichte von Bille gefallen, die vom fliegenden Schaf, das die kleinen Elks brachte. Andererseits hatten ihn seine Eltern noch nie angelogen. Auch damals, als ihn alle auslachten, weil er seinen Freunden erzählte , dass ihm seine Eltern sagten, dass es Rudi Ren mit der großen roten Nase nicht gibt. Alle hatten von ihren Eltern erzählt bekommen, dass Rudi Ren mit einem weißbärtigen Kauz zum Elkfest die Geschenke bringt. Seine Eltern hatten ihm erklärt, das Elkfest feiere man aus einem Glauben heraus und dass alle Elks, die es möchten, sich kleine Geschenke machen. Keiner hatte ihm geglaubt. Später jedoch, als die anderen zu Hause berichteten, was Elmar in der Schule von sich gegeben hatte, gaben viele Eltern auf einmal zu, dass sie diese Geschichte nur erzählt hatten, weil seine Freunde damals noch zu jung gewesen wären, um die Wahrheit zu verstehen. Somit hatte Elmar demnach schon Recht gehabt.
Als er lange genug darüber nachgedacht hatte, beschloss er, dass seine Mutter ihm stets die Wahrheit gesagt hatte und er fragte sich, warum die anderen Eltern ihren kleinen Elks Geschichten erzählten. Vielleicht hatte es damit etwas zu tun, was seine Eltern ihm letztes Jahr erklärt hatten. Sie sagten damals, er wäre noch nicht alt genug um alles zu verstehen, aber sie würden ihm soviel erklären, wie sie meinen, dass er schon versteht. Mit dieser Erkenntnis war er zufrieden und beschloss nun zu seinen Grosseltern zu gehen und ein wenig von Omas großartiger Pinienharz-cremeschaumtorte zu naschen.
Später an diesem Tag kam die Großmutter nun zu Elmars Mutter und sagte schmunzelnd, dass sie nun wohl doch abnehmen müsse. Auf die Frage "Warum ?" meinte sie "weil Elmar mich gefragt hat, wie viele Monate es wohl noch dauert, bis ich einen kleinen Elk auf die Welt bringe ...."
Während beide Elkinnen laut lachten, sprang Elmar in den Fluss und traf Ferdinand, das Flusspferd ....

Aber das, das ist eine andere Geschichte .......

 
  Dies war die allererste Geschichte, die von Elmar geschrieben wurde. Sie ist Ann Kathrin Schweizer gewidmet, zu deren Geburt diese Geschichte, wo die kleinen Elks herkommen, entstand.